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Luftkriege der Gegenwart und der Zukunft

Kampfflugzeuge wurden kurz vor dem Ersten Weltkrieg zum ersten Mal durch Italien gegen osmanische Streitkräfte in Libyen eingesetzt. Seither sind Kriege immer wieder durch Luftstreitkräfte bestimmt worden, so insbesondere der Erste und der Zweite Weltkrieg. Bereits vor und nach den ersten Luftkriegen sind Einsatzkonzeptionen formuliert worden.

Giulio Douhet und John A. Warden: Die Vordenker des Luftkrieges

Einer der ersten Vordenker des Luftkrieges dürfte der italienische General Giulio Douhet gewesen sein. Er wurde am 30. Mai 1869 in Caserta, Italien, geboren.[1] Als Artillerieoffizier wurde er zum Kommandanten des ersten italienischen Luftschiffer-Bataillons ernannt. Aufgrund seiner Kritik an der italienischen Kriegführung wurde er 1916 durch ein Kriegsgericht verurteilt und aus der Armee entlassen. 1918 wurde er Leiter des Zentralbüros für Aeronautik. Da er in der Zwischenzeit rehabilitiert worden war, wurde er 1921 zum Generalmajor befördert. Gleichzeitig verabschiedete er sich endgültig aus der Armee.

1921 erschien sein Buch «Il Dominio dell’Aria». 1935 folgt die deutsche Übersetzung «Luftherrschaft» und 1942 die englische Übersetzung «The Command of the Air». Am 15. Februar 1930 verstarb er in Rom.

Seine Konzeption beruhte auf zwei Hypothesen:[2]

  1. Luftstreitkräfte sind die ideale Angriffswaffe;
  2. mit einer Luftwaffe kann jeder Punkt im gegnerischen Territorium bombardiert werden.

In einer ersten Phase muss für den Schutz des eigenen Territoriums vor den gegnerischen Luftangriffen die Luftherrschaft erlangt werden. Zu diesem Zweck müssen die gegnerischen Luftstreitkräfte zuerst in ihren Stützpunkten vernichtet werden.[3]

In der zweiten Phase können, ohne eine gegnerische Abwehr zu befürchten, die Bevölkerungs- und Wirtschaftszentren des Feindes bombardiert werden. Diesen strategischen Bombardierungen folgen die operativen Interdiktionen gegen Eisenbahnknotenpunkte, Verkehrszentren, Depots und die Mobilmachung des Gegners. Danach wird ungehindert die taktische Gefechtsfeldunterstützung gegen das gegnerische Heer und die Seestreitkräfte ermöglicht.[4]

In der ersten Phase des Krieges sollen Bomber und in der zweiten Phase Mehrzweckkampfflugzeuge eingesetzt werden. Diese werfen Spreng-, Brand- und Gasbomben ab. Der Luftkrieg ist ein massiver Erstschlag ohne Vorwarnung.[5]

In der Tradition der Thesen von Douhet hat der amerikanische Colonel John A. Warden Ende der 80er Jahre des letzten Jahrhunderts eine strategische Konzeption des Luftkrieges formuliert.[6] Neben dem Begriff Luftherrschaft benützt Warden in Anlehnung an den preussischen Kriegsphilosophen Carl von Clausewitz in seiner Konzeption den Begriff Schwerpunkt.[i] Durch die Ausschaltung von Schwerpunkten werden ein Krieg oder Kriegsverlauf entschieden. Jede Ebene des Krieges – strategische, operative, taktische Ebene – weist einen oder mehrere Schwerpunkte auf. In der Planung eines Luftkrieges gilt es, diese Schwerpunkte zu ermitteln. Schwerpunkte sind:[7]

  • Stützpunkte der Luftstreitkräfte und Stellungen der ballistischen Boden-Boden-Flugkörper
  • Logistik und Infrastruktur
  • Mannschaften der gegnerischen Luftstreitkräfte
  • Einsatzführung

Durch die Ausschaltung der Einsatzführung im ersten Schlag des Luftkrieges soll die Luftherrschaft erlangt werden. Mit der Luftherrschaft wird die Offensive ungehindert fortgesetzt. Es folgen Schläge gegen die gegnerische Luftstreitmacht, die Stellungen der Boden-Boden-Flugkörper und Fliegerabwehrlenkwaffen, die Kommunikationsverbindungen und die Logistik. Schlussendlich werden die Truppenkonzentrationen des Gegners niedergerungen. General Schwarzkopf hat diesen Phasenverlauf für die Führung des Golfkrieges 1991 weitgehend übernommen.

 

 

 

 

 

 

 

US-Stealth-Kampfflugzeug F-117A Night Hawk im Krieg gegen Saddam Hussein 1991

 

Luftkriege der Gegenwart

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt werden zwei grössere Luftkriege geführt. Russland bombardiert, teilweise mit Unterbrüchen, mit Marschflugkörpern, Mittelstreckenbombern Tu-22M, Jagdbombern Su-24 und Su-34 und Erdkampfflugzeugen Su-25 syrische Ortschaften und Stellungen, die noch durch die Opposition von Assad kontrolliert werden.

 

 

 

 

Russisches Erdkampfflugzeug Su-25

 

Die russischen Kampfflugzeuge werfen Freifallbomben oder gelenkte Bomben ab. Mit diesen Bombardierungen dürften drei Ziele verfolgt werden:

  1. Kapitulation der Opposition;
  2. Vertreibung des Bevölkerungsteils, das die Opposition von Assad unterstützt;
  3. Unterstützung der Armee von Assad bei den Angriffen auf die Stellungen der Opposition.

Den zweiten Luftkrieg führten die USA und ihre Alliierten bis vor kurzem gegen Stellungen und Ortschaften des Islamischen Staates (IS) im Irak und in Syrien. Verschiedene Typen von Kampfflugzeugen wurden dabei eingesetzt, so Erdkampfflugzeuge A-10C und bewaffnete Drohnen. GPS-gelenkte, lasergelenkte Bomben oder Freifallbomben wurden von diesen abgeworfen. Die Zerstörungswirkung war offensichtlich.

Entsprechend ihrer Überlegenheit mussten bisher weder Russland noch die USA in ihren Kriegen zuerst die Luftherrschaft erringen. Sie verfügten über diese von Beginn an.

Zukünftige Luftkriege

Auch in den nächsten Jahren werden Russland und die USA in den durch sie kontrollierten Räumen über die ungehinderte Luftherrschaft verfügen. Als Folge ihrer Nukleararsenale werden beide Mächte direkte Konfrontationen vermeiden. Bei der Absicherung ihrer geopolitischen Räume werden sie ungehindert ihre Luftstreitkräfte einsetzen können. Mit ihren Luftstreitkräften werden sie gegen ihre Gegner vor allem zwei Ziele verfolgen:

  • Einschüchterung gegnerischer Bevölkerungsgruppen durch angedrohte Bombardierungen;
  • für den Fall von Widerstandsaktionen Bombardierungen von Ortschaften und gegnerischer Stellungen.

Bereits heute ist eine Renaissance der Flächenbombardierungen des Zweiten Weltkrieges erkennbar. Ortschaften werden zerstört und die Bevölkerungen, werden durch die Bombardierungen vertrieben. Das Streben nach Luftherrschaft ist obsolet geworden. Diese Luftkriege werden auch die Konflikte der nächsten Jahre bestimmen.

Bereits heute zeichnet sich aber eine Ablösung der bemannten Kampfflugzeuge durch unbemannte Kampfdrohnen ab. Die Hinrichtung des iranischen Generals Soleimani durch einen Drohneneinsatz ist ein Beispiel dafür. Die Luftkriege dürften deshalb in zunehmendem Masse durch die effiziente Drohnentechnologie bestimmt werden.

 

 

 

 

 

US-Drohne Global Hawk für die Aufklärung und Einsatzführung

 

Denkbar ist auch, dass in einer fernen Zukunft die gelenkten und ungelenkten Bomben und Lenkwaffen durch Lasersysteme abgelöst werden könnten. Die Fiktion Star Wars könnte bald zu einer Realität werden.

 

[1] Stahel, A.A., Luftverteidigung – Strategie und Wirklichkeit, mit einem Vorwort von Kaspar Villiger, vdf, Zürich, 1993, S. 27.

[2] Stahel, A.A., S. 28.

[3] Stahel, A.A., S. 28.

[4] Stahel, A.A., S. 29.

[5] Stahel, A.A., S. 31.

[6] Stahel, A.A., S. 61.

[7] Stahel, A.A., S. 62.

[i] Clausewitz, C., von, Hinterlassenes Werk Vom Kriege, Neunzehnte Auflage – Jubiläumsausgabe mit erneut erweiterter historisch-kritischer Würdigung von Werner Hahlweg, Ferd. Dümmlers Verlag, Bonn, 1980, S. 811.