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Nach dem US-Abzug aus Afghanistan eine Intervention von Erdogan?

Afghanistan weist verschiedene Ethnien und Sprachen auf. Die grösste Ethnie sind mit beinahe 50% der Bevölkerung die Paschtunen. Sie sind seit der Gründung von Afghanistan durch den Paschtunenführer Ahmad Shah Durrani 1747 das staatsbildende und staatstragende Volk des Landes.

Seit 1993 rekrutieren sich die Taliban aus den Paschtunen. Die Taliban sind Anhänger der Deobandi-Glaubensrichtung, die 1866 in Indien begründet wurde. Weitgehend stimmt diese sehr strenge islamische Richtung, die die Reinheit des Islams verlangt, mit dem Stammesrecht der Paschtunen, dem Paschtunwali, in vielen Aspekten überein. Im Zentrum des Paschtunwali steht die Ehre, das nang. Wird die Keusch- und Reinheit einer Frau angezweifelt, so wird das nang verletzt. Dieses Verbrechen kann nur mit der Rache, badal, und damit mit dem Tod getilgt werden. Badal kann über Generationen andauern.[1] Wegen dem Paschtunwali kann ein Fremder in Afghanistan in Gefahr geraten, getötet zu werden. Wie die vergangenen Kriege bewiesen haben – die Kriege gegen die Engländer, die Sowjets und jetzt gegen die USA und ihre Alliierten – ist dieses Gebirgsland für Guerillakriege sehr geeignet.

 

Ein Paschtune in Nordafghanistan nahe Kunduz 2007

Nun will offenbar der Muslimbruder Erdogan – vermutlich auf Betreiben der USA – mit syrischen Söldnern in Afghanistan intervenieren und einen lokalen Stützpunkt in Kabul zur Kontrolle des Flughafens errichten.[2] Die Deobandi beurteilen die Muslimbrüder nicht als echte Muslime. Eine Eskalation zu blutigen Auseinandersetzungen ist deshalb wieder vorprogrammiert. Dazu kommt noch, dass die Paschtunen, die den Indoeuropäern angehören, für türkischstämmige Völker nicht viel übrighaben. Bleibt es bei den syrischen Söldnern, dann wird Erdogan nicht nur diese, sondern vermutlich auch sein Gesicht verlieren.

 

Ein durch die Taliban 1998 am Shebar-Pass zerstörter Panzer des Usbekenführers Dostum

Der Abzug aus Afghanistan könnte auch ein Danaergeschenk der USA für China sein. Sollte der Einfluss der Taliban mit ihrem Deobandi-Glauben auf Zentralasien übergreifen, dann könnte das arrogante Projekt der «road und belt» von China schnell obsolet werden. Eine Intervention Chinas in Afghanistan ist aber kaum vorstellbar. Für die Vielgötterei des Buddhismus haben die Taliban nichts übrig. Demonstrativ haben sie die Buddhas von Bamyan 2001 gesprengt.

 

Mit dem Paschtunenführer und Wahhabiten Abdul Sayyaf in Paghman 1995

[1] Stahel, A.A., Das Frontier Corps, Ein paramilitärischer Verband von Pakistan in den Tribal Areas, in: Indien und Pakistan – Atommächte im Spannungsfeld regionaler und globaler Veränderungen, Buciak, S. und R. von Dehn (Hrsg.), Verlag Dr. Köster, Berlin, 2010, S. 496/497.

[2] Yazici, E., Turkey will likely leverage Syrian proxies for Afghanistan mission, SW, July 20, 2021.