You are currently viewing Afghanistan: Interventionen des Irans und Russlands? Eine historische Wiederholung!

Afghanistan: Interventionen des Irans und Russlands? Eine historische Wiederholung!

Beinahe täglich kann der Machtzuwachs der Taliban, die der sunnitischen Deobandi-Sekte anhängen, in den Provinzen und Bezirken Afghanistans verfolgt werden. So sollen bereits heute über 50 Prozent der 34 Provinzen des Landes unter Kontrolle der Taliban sein.[1] Beobachter der Situation rechnen deshalb damit, dass die Tage der Zentralregierung von Präsident Ghani bald gezählt sein könnten. Die Staatschefs der Nachbarstaaten Afghanistans – so der Iran, China sowie Russland – , die früher noch die Präsenz der USA in diesem Lande verurteilten, sind heute über die Lage alarmiert.[2] Aufgrund der sich zu Ungunsten der Regierung von Ghani verschärfenden Lage ist es denkbar, dass einzelne Nachbarstaaten in Afghanistan gegen die Taliban intervenieren könnten.

Zu diesen Staaten gehört die Islamische Republik Iran. Seit Jahrhunderten beansprucht der Iran insbesondere die Kontrolle über das im Westen Afghanistans gelegene Herat, das früher als das Tor zu Indien bezeichnet wurde. Herat wird vor allem durch Tadjiken, die das mit dem Persisch verwandte Dari sprechen, bewohnt. Durch die Besetzung Herats könnten die Ayatollahs von Teheran die Drogenroute durch den Iran vollständig kontrollieren und jede Einflussnahme der Deobandi-Anhänger auf die eigenen sunnitischen Minderheiten unterbinden.

Die Zitadelle von Alexander dem Grossen in Herat

Für Russland existiert eine ähnliche Ausgangslage. Sollten die Taliban definitiv die Macht über Kabul an sich reissen können, müssten die Russen mit zunehmenden Unruhen unter der sunnitischen Bevölkerung in den zentralasiatischen Republiken rechnen. Bereits während den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts gab es in Usbekistan und Tadschikistan Kampfgruppen, die unter dem Einfluss der Taliban standen. Wie 1979 könnte Russland wieder Truppen über die Brücke der Freundschaft, die Afghanistan mit Usbekistan über den Amur Daria verbindet, nach Afghanistan verlegen. Diese könnten zugunsten des Widerstands der ehemaligen Nordallianz aus Tadschiken, Usbeken und Hazara gegen die Taliban wirken.

Brücke der Freundschaft zwischen Usbekistan und Afghanistan

Als Folge der beschriebenen Interventionen wäre Afghanistan, wie in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in verschiedene Einflusszonen aufgeteilt. Der Norden mit Mazar-e Sharif als Hauptstadt würde unter russischer Oberhoheit stehen, der Westen mit Herat wäre iranisch und Kabul wäre die Domäne des Emirs, der heute das Oberhaupt der Taliban ist.

Die blaue Moschee mit dem Ali-Heiligtum in Mazar-e Sharif

[1]Roggio, B. and A. Tobin, Half of Afghanistan’s provincial capitals under threat from Taliban, in: FDD’s Long War Journal, July 15, 2021.

[2] Knickmeyer, E., Afghanistan’s neighbors wary as U.S. seeks nearby staging area, in: Associated Press, July 15, 2021.