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Paschtunen and Taliban

Die Paschtunen sind ein indoeuropäisches Volk, deren Sprache zur ostiranischen Sprachfamilie gehört. Sie gliedern sich in Stämmen. In Pakistan, so in den Provinzen Khyber Pakhtunkhwa (2018 wurden in diese Provinz die halbautonomen FATA (Federally Administred Tribal Areas) eingegliedert) und Beluchistan, leben 23 Millionen Paschtunen. In Afghanistan dürften es 15 Millionen Paschtunen sein. Mit 42 Prozent der 38 Millionen Afghanen sind sie in Afghanistan die grösste Ethnie.

Die Herkunft der Paschtunen ist bis heute nicht geklärt. Überlebende von Völkern, die sich aufgrund der verschiedenen Invasionen und Genoziden – jene von Dschingis Khan und Timur Tamerlan – in die Suleiman-Gebirge und in den Hindukush flüchteten, könnten zur Gründung dieses Bergvolks geführt haben. Dazu könnten Splittergruppen der Kushan, iranischen Saken, Hephthaliten (Weisse Hunnen) und vielleicht auch der baktrischen Griechen gehört haben.[1] Bedingt durch die ständigen Bedrohungen entstand ein kriegserprobtes Bergvolk, das sich heute vor allem in zwei Stammeskonföderationen gliedert, den Ghilzai– und den Abdali (heute Durrani-) Paschtunen.

1747 wurde der frühere iranische Söldnerführer Ahmad Khan durch die Abdali-Stammesführer in Kandahar mit dem Titel «Durr-i-Durrani» (die Perle der Perlen) zum Herrscher über die Afghanen erhoben. Sehr bald anerkannten auch die Ghilzai-Paschtunen Ahmad Shah als Herrscher an.[2] Dass heute das Volk der Paschtunen auf zwei Staaten verteilt ist, ist die Folge der ab 1838 gegen die Afghanen (Paschtunen) einsetzenden britischen Kolonialpolitik.[3] Bis heute dauert diese Zersplitterung an.

Paschtunen in der früheren FATA 1989

Aufgrund der Gründung von 1747 beanspruchen die Paschtunen bis heute die Herrschaft über Afghanistan. Dieser Anspruch wird allerdings durch andere ethnische Bevölkerungsgruppen, so die Tadjiken, abgelehnt. Die Beziehungen zwischen den paschtunischen Familien, Clans und Stämme in Afghanistan und Pakistan wird immer noch durch den Stammeskodex des Paschtunwali bestimmt. Dieser Kodex beruht auf Regeln wie taboorwali, nang, tor, badal, melmestia und nanawatee.[4] Eine hohe Stellung nehmen tor – wird als Schwarz übersetzt -, nang und badal, ein. Tor ist die Kompromittierung der Keuschheit und Reinheit einer Frau. Erfolgt diese verbal oder gar tätlich, dann ist die Ehre, nang, des Mannes verletzt. Diese Verletzung kann nur durch Rache, Badal, und damit durch den Tod des Täters bereinigt werden. In einem Hinterhalt ist dieser durch einen Gewehrschuss zu töten. Demzufolge nehmen in der Machowelt der Paschtunen Waffen einen hohen Stellenwert ein. Nur ein bewaffneter Paschtune ist ein echter Mann.

Herstellung von Jagdflinten in den Waffenschmieden der FATA (1989)

Sowohl in Afghanistan wie auch in den pakistanischen FATA wurden immer kleine Waffenschmiede betrieben. Jagdflinten aber auch moderne Waffen wurden und werden hergestellt. Immer wurden Waffen aus diesen Waffenschmieden in den Kriegen in Afghanistan eingesetzt.

Reparaturen von Pistolen und Revolvern

1989 blühte das Geschäft

Laden in den FATA

Ab 1994 wurden durch Mullah Omar und weitere Mitkämpfer in Kandahar die Taliban begründet. Diese orientieren sich an der islamischen Sekte der Deobandi, die Mitte des 19. Jahrhunderts in Indien begründet worden ist. Diese Sekte weist gewisse Ähnlichkeiten mit den saudischen Wahhabiten auf. Die Führer der Deobandi lehnen aber ein Zusammenwirken mit der Sekte der Wahhabiten ab.

Ab 1995 überrannten die Taliban den Widerstand der Nordallianz in Kabul unter deren Führer Rabbani und Massud. Bis 2001 hatten sie grosse Teil des Landes, mit Ausnahme des Nordostens, erobert. Nach wie vor leistete Kommandant Massud von seiner Festung im Panjshirtal aus Widerstand

Zerstörter Taliban-Panzer am Eingang zum Panjshir-Tal (2003)

Im November 2001 wurde die Herrschaft der Taliban durch eine militärische Operation der Nordallianz und der Amerikaner beseitigt. Die Führung der Taliban wurde nach Quetta, Pakistan, vertrieben.

Ex-Taliban 2003?

Teilweise aufgrund der Ungeschicklichkeiten der Amerikaner in ihren militärischen Operationen, der Korruption der Karzai-Regierung in Kabul und des boomenden Anbaus von Schlafmohn nahm ab 2004 der Einfluss der Taliban wieder zu. Nach dem Abzug der US-Streitkräfte überrennen die Taliban wieder Afghanistan. Einen Massud, der ihnen Widerstand leisten könnte, gibt es nicht mehr. Er wurde 2001 getötet. Der Anschlag auf ihn ist bis heute ungeklärt geblieben.

Merkwürdigerweise hat der Unterhändler der Amerikaner, Khalizad, der selbst ein Paschtune ist, die Regierung von Kabul in die Verhandlungen mit den Taliban bewusst nicht einbezogen. Die Regierung von Ghani ist deshalb ohne die US-Unterstützung machtlos und in freiem Fall. Nach wie vor rekrutieren sich die Taliban weitgehend aus der Ethnie der Paschtunen. Ihre Deobandi-Sekte weist viele Gemeinsamkeiten mit dem Paschtunwali auf, insbesondere was die Rechte der Frauen betrifft. Diese ist sowohl bei der Deobandi-Sekte wie auch im Paschtunwali inexistent.

Dolche vornehmer Paschtunen

 

 

[1] Tanner, St., Afghanistan, a military history from Alexander the Great to the fall of the Taliban, Da Capo Press, Cambridge, 2002, S. 93.

[2] Tanner, St., S. 117/118.

[3] Tanner, St., S. 129.

[4] Stahel, A.A., Das Frontier Corps, in: Indien und Pakistan – Atommächte im Spannungsfeld regionaler und globaler Veränderungen, Buciak, S. und R.  von Dehn (Hrsg.), Verlag Dr. Köster, Berlin, 2010, S. 496/497.