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Der totale Vernichtungskrieg

Der totale Vernichtungskrieg

Einer der ersten Vordenker des totalen Luftkrieges und damit des Vernichtungskrieges gegen die Bevölkerung eines feindlichen Staates nach dem Ersten Weltkrieg dürfte der italienische General Giulio Douhet (1869-1930) sein. Nach seiner Verabschiedung aus dem aktiven Dienst 1923 publizierte er sein Werk «Il dominio dell’aria». 1932 folgte in Paris die französische Übersetzung «La Guerre de l’Air», 1935 in Berlin die deutsche Übersetzung «Luftherrschaft» und 1942 in den USA die amerikanische Übersetzung «The Command of the Air».  Douhet starb am 15. Februar 1930 in Rom.[1]

In der ersten Phase eines Krieges hat die eigene Luftwaffe die Luftherrschaft zu erobern. Ohne Kriegserklärung wird die gegnerische Luftstreitmacht in ihren Stützpunkten durch Verbände schwerer Bomber vernichtet. Es folgt im zweiten Akt der Vernichtungsschlag gegen die feindliche Hauptstadt und die gegnerischen Industrie- und Wirtschaftszentren. Für die Bombardierungen und Zerstörungen der feindlichen Städte werden Freifall- und Brandbomben abgeworfen. Zur Behinderung der Feuerwehr, die der angegriffenen Bevölkerung zu Hilfe eilen könnten, sollen Gasbomben abgeworfen werden. Das eigentliche Ziel dieses Aktes ist nicht auf die Lähmung des Feindes begrenzt. In Wirklichkeit ist die feindliche Bevölkerung zu massakrieren.

Der dritte Akt

Es folgt der dritte Akt mit Bombardierungen und Zerstörungen der feindlichen Infrastruktur. Durch diese Bombardierungen sind Eisenbahn- und Strassenknotenpunkte des Feindes sowie dessen Energie- und Wasserversorgung auszuschalten. Den Vollzug des dritten Aktes bereitet den letzten Akt des Luftkrieges mit der Gefechtsfeldunterstützung zugunsten des Heeres und der Seestreitkräfte vor.

Für den gesamten Vernichtungsprozess propagiert Douhet den Einsatz schwerer Bomber.

Die Luftkriegskonzeption von Douhet wurde im Zweiten Weltkrieg durch alle Kriegsparteien konsequent umgesetzt. Dementsprechend bombardierte und zerstörte das British Bomber Command unter der Führung von Air Chief Marshal Arthur Harris ab 1942 systematisch die Städte des Dritten Reiches, Für die Unterstützung der Landung in der Normandie 1944 wurden neben den Angriffen auf die deutschen Stellungen französische Ortschaften, in denen sich die Deutschen und ihrer Führung verschanzt hatten, bombardiert. Dazu gehörte die französische Stadt Caen in der Normandie.

Caen, Normandie, 1954 (A.S. sen.)

Nach dem Zweiten Weltkrieg folgten Kriegführende immer wieder mit ihren Luftkriegen der Konzeption von Douhet. So wurden im Koreakrieg von 1950 bis 1953 durch amerikanische und alliierte Luftreitkräfte die nordkoreanische Infrastruktur durch intensive Bombardierungen zerstört. Auch in den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien wurde die Infrastruktur – so Brücken und Eisenbahnen – die dem Feind dienen konnten, systematisch zerstört.

Autobahnbrücke, Bosnien-Herzegowina, 1994 (A.S.)

Ein weiterer Vordenker des totalen Vernichtungskrieges nach dem Ersten Weltkrieg war der deutsche General Erich Ludendorff (1865-1937), der bereits 1917 durch seine uneingeschränkte Kriegführung das Deutsche Reich in die Katastrophe geführt hatte. Ab 1923 beeinflusste er durch seine Thesen das Denken von Adolf Hitler über den zukünftigen Krieg des Dritten Reichs entscheidend.[2]

Der Krieg durch seinen totalen Vernichtungsprozess hatte, so Ludendorff, alle Lebensbereiche des Staates und des Volkes zu bestimmen. Er diente der Lebenserhaltung des Volkes und war die höchste Darbietung des völkischen Lebenswillens.

Die Kriegführung Russlands gegen die Ukraine erscheint beinahe als eine Kopie der Thesen von Douhet und jenen von Ludendorff. Gemäss seinen Aussagen bei Ausbruch des Krieges hat für den russischen Präsidenten Wladimir Wladimirowitsch Putin das ukrainische Volk keine Existenzberichtigung. Er dürfte diesen Krieg erst beenden wollen, wenn die Ukraine ausgelöscht sein wird. Douhet und Ludendorff wie auch Adolf Hitler und Josef Stalin dürften die Vordenker und damit die Ziehväter von Putin sein.

[1] Stahel, A.A., Klassiker der Strategie – eine Bewertung, vdf Hochschulverlag an der ETH Zürich, 3. Auflage, Zürich, 2003, S. 211.

[2] Stahel, A.A., S. 205-210.

Titel: Der totale Vernichtungskrieg

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