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Militärwissenschaft und Militärdoktrin Russlands

Militärwissenschaft und Militärdoktrin Russlands

Während seines Exils in Zürich (1916-1917) hat Wladimir Iljitsch Uljanow, genannt Lenin (1870-1924), die Schrift «Vom Kriege» des preussischen Kriegsphilosophen Carl von Clausewitz (1780-1831) studiert.[1] Die Thesen über die Vernichtung der Feinde hat er im russischen Bürgerkrieg (1917-1922) konsequent umgesetzt. Er wurde damit zum Begründer der sowjetischen Militärwissenschaft und Militärdoktrin.

Der sowjetische Kommandeur Michail Wassiljewitsch Frunse (1885-1925) erweiterte aufgrund seiner Feldzüge gegen die Weissrussen und in Zentralasien die Thesen der sowjetischen Militärwissenschaft und Militärdoktrin.[2] Er verfasste Schriften über die aktuellen Kriege in Nordafrika. Bereits zur Zeit von Frunse wurde die sowjetische Militärdoktrin unter Einbezug der Faktoren Streitkräfte, Wirtschaft, Technologie und Gesellschaft der UdSSR erweitert.

Nach der mutmasslichen Ermordung von Frunse auf Anordnung von Joseph Stalin (1878-1953) bestimmte der sowjetische Diktator und Generalissimus die Abkehr von den Schriften von Lenin und Clausewitz und die Umorientierung der sowjetischen Militärwissenschaft auf die Schriften des Schweizer Strategen Antoine-Henri Jomini (1779-1869).[3]

Die Uniform von Generalissimus Stalin (A.S.)

Nach seinem Tod 1953 setzte die Renaissance der sowjetischen Militärwissenschaft und Militärdoktrin ein. Eine bedeutende Etappe dazu war die Veröffentlichung des Werkes Militär-Strategie des Autorenkollektivs von Marschall der Sowjetunion Sokolowski.[4] Mit diesem Neubeginn wurde die Dominanz der Nuklearwaffen in der sowjetischen Militärwissenschaft und Militärdoktrin begründet.

Sokolowski, Militär-Strategie

Nach Sokolowski wurden zunehmend die geopolitischen Auseinandersetzungen mit den USA und die Rüstungstechnologie mit mathematischen Modellen und Simulationen analysiert.[5]

Einsatz von Abfangjägern

Diese Analysen wurden nach dem Zerfall der UdSSR fortgesetzt. Die Erkenntnisse waren und sind, dass die rüstungstechnologische Überlegenheit der USA nach wie vor existent ist.[6] Dies könnte Wladimir Putin bewogen haben, die Unterlegenheit Russlands in der Rüstung und in der Wirtschaft durch ein Bündnis mit China ausgleichen zu wollen. Spätestens seit der Veröffentlichung der Militärdoktrin von 2014 versucht Putin die Vorherrschaft der USA durch die Zusammenarbeit mit China zu überwinden. Offenbar war er überzeugt, dass er in einem Krieg mit der Ukraine durch China unterstützt würde. Zur Vermeidung nachhaltiger Sanktionen vermeiden aber die chinesischen Herrscher zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine offene Unterstützung Russlands im Krieg gegen die Ukraine mit Geld und Waffenlieferungen. Präsident Xi Jinping versucht in der gegenwärtigen Auseinandersetzung zwischen Russland und den USA die Stellung eines Pseudo-Neutralen einzunehmen. Diese Situation könnte die entscheidendste Fehlleistung des Strategen Putin in seinem Krieg gegen die Ukraine sein.

[1] Lenin, W.I., Clausewitz Werk «Vom Kriege», Verlag des Ministeriums für Nationale Verteidigung, 1957.

[2] Frunse, M.W., Ausgewählte Schriften, Verlag des Ministeriums des Innern, Berlin, 1955.

[3] Stahel, A.A., Klassiker der Strategie – eine Bewertung, vdf, 3. Auflage, Zürich, 2003, S. 127-171.

[4] Sokolowski, W.D., Militär-Strategie, dritte, verbesserte und ergänzte Auflage, Markus Verlag, Köln, 1969, S. 97-101.

[5] Wentzel, J., Operations Forschung, Deutscher Militärverlag, Berlin, 1966, S. 149.

[6] Reach, C., et al, Russian Military Forecasting and Analysis, Rand Corporation, Santa Monica, 2022, S. 113/114.

Titel: Militärwissenschaft und Militärdoktrin Russlands

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