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Ausrottung der Sioux

Die Sioux

Nach ihrer Vertreibung aus den westlichen Randgebieten der Grossen Seen siedelten die Sioux 1830 am North Platte River.[1] Zum damaligen Zeitpunkt waren die Verhältnisse in der nördlichen Prärie für dieses neue «Reitervolk» beinahe idyllisch. Ab 1849 änderte sich dies mit den Goldfunden in Kalifornien und der Zunahme der Westwanderung der Weissen über den Oregon-Trail. Rücksichtslos schossen diese das Wild und holzten Wälder auf ihren Trecks ab. Der Widerstand der Sioux kam zu spät. Plötzlich brach im gleichen Jahr unter den Sioux und den übrigen Prärie-Stämmen eine asiatische Cholera-Epidemie aus. Wie sich später herausstellen sollte, war diese Epidemie zur Brechung des Widerstandes der Sioux durch die Amerikaner als biologische Kriegführung gezielt ausgelöst worden. Ein Jahr lang grassierte die Seuche. Die Cheyenne verloren mehr als die Hälfte ihrer Angehörigen, die Sioux und andere Stämme nahezu die Hälfte. Kaum war diese Epidemie überstanden, brachen die Pocken als Mittel der biologischen Kriegführung aus. Ende 1850 waren die Prärie-Stämme durch die Verluste als Folge der beiden Seuchen geschwächt und demoralisiert.[2] Die Stämme der Cheyenne und der Sioux waren reif für Konzessionen.

Im September 1851 wurden die Häuptlinge der verschiedenen Stämme zu einer «Friedens- und Freundschaftskonferenz» nahe von Fort Laramie versammelt. Die Häuptlinge sollten insgesamt 122’500 Quadratmeilen Land abtreten und in Zukunft von Feindseligkeiten zwischen ihren Stämmen absehen. Für die Dauer von 50 Jahren sollten sie durch die USA jährlich 50’000 Dollar an Waren, Haustieren und Ackerbaugeräten erhalten.[3] Bereits 1850 hatten die östlichen Sioux für das Versprechen, dass die früheren Verträge erfüllt würden, 8’000 qkm Land abgetreten. 1851 traten sie noch einmal 15’00 qkm ab. In der Folge wurden die östlichen Sioux in kümmerliche Reservationen abgedrängt und durch Indianeragenten in Regierungsdiensten bei der Lieferung der versprochenen Güter betrogen, gedemütigt und erpresst. Angesichts der Erfahrungen der östlichen Sioux entschieden sich die Kriegshäuptlinge der westlichen Sioux für den Widerstand.

Nach dem Friedensschluss von 1851 unternahmen junge Offiziere sehr oft Aktionen in den Gebieten der westlichen Sioux, die beinahe zum Krieg geführt hätten. US-Militärakademien entwickelten in Anlehnung an die europäischen Kolonialkriege das Konzept «Aufnahme von Verhandlungen nach der Zerstörung der Wintervorräte».[4] Dieses Konzept setzte am 29.Juli 1857 Colonel Summer gegen ein Cheyenne-Lager um. Sämtliche Zelte und Vorräte der geflohenen Cheyenne wurden verbrannt. Jetzt folgten auf die Vergeltungen der Indianer für diese Verbrechen Gegenvergeltungen der Armee.[5] Zur gleichen Zeit wurde die Besiedlungsgrenze durch die USA immer weiter nach Westen verschoben. Viele Häuptlinge erkannten jetzt das eigentliche Ziel der USA, die Ausrottung aller Indianer.

Am 18. September 1859 wurde wieder eine grosse Friedenskonferenz mit den einflussreichsten Häuptlingen der Präriestämme einberufen. Diese unterbreiteten einen Vertragsentwurf, gemäss dem sie gegen Entschädigungen bereit waren in Reservationen mit fruchtbarem Land zu siedeln, die auch für die Landwirtschaft geeignet gewesen wären. Der Entwurf wurde vom Senat nie ratifiziert. Die US-Regierung wollte die Stämme in Reservationen zwingen, die für die Landwirtschaft ungeeignet waren. Für die amerikanische Elite gab es für die Indianer innerhalb «von Gott eigenem Land» keinen Platz.[6]

Auch wollten die höheren Offiziere mit der Armee, die desertierte Soldaten europäischer Armeen rekrutierte und die deshalb eher einer Fremdenlegion glich, mit polizeilichen Totschlägen gegen die Indianer Ruhm und Ansehen erlangen. Jede Hoffnung auf Frieden mit den Indianern beendete 1861 der zum Präsidenten gewählte Abraham Lincoln.[7] Am 29. November 1864 überfiel Colonel John M. Chivington mit fünf Bataillonen (700 Soldaten) am Sand Creek in Colorado das Lager eines friedfertigen Cheyenne-Stammes und liess auf bestialische Art dreihundert Menschen abschlachten. Dazu gehörte das Aufschlitzen schwangerer Frauen und die Tötung ihrer Embryonen. Die heimkehrenden Helden wurden in den lokalen Medien gefeiert. Erst die Medien in den Neu-England-Staaten prangerten den Sadismus im durch die Armee verübten Massaker an.[8]

Eisenbahnbosse und Bankiers

Das Ende des Bürgerkrieges 1865 war der Sieg der Finanz- und Industriekapitalisten. Zu diesen gehörten John D. Rockefeller, der Bankier J.P. Morgan, der Stahlkönig Andrew Carnegie, der Schiffsmagnat Cornelius Vanderbilt und der Eisenbahnbaron Jay Gould. Das am 1. Juli 1862 durch die Regierung von Lincoln verabschiedete Gesetz zum Bau einer Transkontinental-Eisenbahnlinie durch die nördlichen Prärien und die Rocky Mountains durch zwei Gesellschaften war zu verwirklichen. Für die Protagonisten der amerikanischen Industriemaschine musste der Widerstand des Präriereiches der Sioux gebrochen werden.[9]

Prärie in Wyoming

Am 8. Januar 1863 setzte der Bau der Central Pacific von Kalifornien Richtung Osten ein. Die Union Pacific begann am 2. Dezember 1863 mit dem Bau nach Westen. Durch den Bau sollte auch der ungehinderte Zugang zum Gold von Kalifornien gesichert werden. Die beiden Gesellschaften erhielten von der Regierung per Gesetz von 1864 128’000 qkm Land auf beiden Seiten des Schienenstranges geschenkt.[10] Das geschenkte Land in den Prärien war zu diesem Zeitpunkt aber durch Sioux und ihre Verbündeten, die Cheyenne und die Arapaho besiedelt. Gemäss Washington D.C. sollte dieses Land für den Bergbau, die Viehzucht und den Ackerbau erschlossen werden. Durch den Verkauf von Parzellen an Farmer und Rancher wollten sich die Eisenbahnbarone, die finanzierenden Banken und die Aktionäre bereichern. Zur Durchsetzung der Ordnung beim Bau und für die Abwehr von Indianerangriffen stellten die Eisenbahnbosse aus ehemaligen Soldaten des Bürgerkrieges Söldnerarmeen auf und rüsteten diese mit modernen Repetiergewehren aus.[11]

Red Cloud

Gegen diesen Landraub leisteten ab 1866 in den nördlichen Prärien die Sioux, die Cheyenne und die Araphao unter Führung des 44-jährigen Kriegshäuptlings Makhpiya-luta (Red Cloud) der Oglala-Sioux dem Vordingen der US Army Widerstand.[12] Am 3. März 1865 beschloss der Kongress, neue Forts an den Quellgebieten des Powder River und des Little Big Horn errichten zu lassen. Der Oberkommandierende der Armee im Westen, General William Tecumseh Sherman (1820-1891), Brandstifter von Atlanta im Bürgerkrieg (September 1864) und Protagonist der Strategie des Totalen Krieges[13], beauftragte Colonel Henry B. Carrington mit dem Bau der Forts Phil Kearny, Reno und C.F. Smith. Das Rezept von Sherman war einfach: Entweder tötete die US Army alle Indianer oder diese würden zu Almosenempfängern in Reservationen.[14]

Am 13. Juni 1866 wurden die Häuptlinge der Sioux, Cheyenne und Arapaho bei Fort Laramie zu einer Konferenz der friedlichen Beilegung des Konfliktes eingeladen. Während des Versuches die Häuptlinge zu korrumpieren, erschien bei Fort Laramie die schwerbewaffnete Truppe von Carrington. Die Verhandlungen waren nur eine Farce. Red Cloud hielt eine Ansprache an seine Krieger, die einer Kriegserklärung entsprach. Die Sioux unter den Häuptlingen Red Cloud und Man-Afraid-of-His-Horses zogen ab. Red Cloud nahm den Guerillakrieg gegen die US Army auf. Am 21. Dezember 1866 verliess Captain William J. Fetterman mit 48 Infanteristen und 28 Kavalleristen Fort Phil Kearny für den Schutz einer Holzfällergruppe. Fetterman geriet in einen Hinterhalt und seine gesamte Gruppe wurde niedergemacht. Als Vergeltung dazu verlangte General Sherman den Totalen Krieg und die kollektive Vernichtung der Sioux.[15] Der Kongress torpedierte alle Friedensverhandlungen.

Die Vernichtung des Fetterman-Kommandos steigerte das Ansehen von Red Cloud unter den Oglala-Sioux. Die Überfälle häuften sich und der Verkehr in den Westen kam zum Erliegen. Auch die Union Pacific wurde zum Ziel. Die Gouverneure des Montana-Territoriums und von Colorado baten die Army inständig um Hilfe. Wegen der Ausrüstung mit neuen Henry-Repetiergewehren scheiterte am 1. August 1967 auch ein Angriff von Red Cloud auf eine Einheit der Army. Nun richtete er seine Angriffe auf die Nachschubeinheiten der Army. Wegen des unterbrochenen Nachschubs baten die Bosse der Union Pacific die Armee und die Regierung einen Frieden mit den Sioux abzuschliessen. Banken und die Missouri-Schifffahrt verloren wegen den Angriffen der Sioux auf die Union Pacific viel Geld. Am 2. März 1868 befahl der Secretary of War (Kriegsminister), General of the Army Ulysses Simpson Grant (1822-1885)[16], General Sherman die Forderungen von Red Cloud anzunehmen und die drei Forts aufzugeben. Dabei sollte eine grosse Sioux-Reservation (im Westen der Missouri als Ostgrenze, im Westen das Big Horn-Gebirge, im Norden das Gebiet bis zum 46. Breitengrad, im Süden das Territorium bis zur Grenze von Nebraska) geschaffen werden, mit dem Recht, auch im Gebiet nördlich der North Platte-River zu jagen.[17]

Am 10. April 1868 versammelte sich eine Armee-Delegation in Fort Laramie. Erst als die US Army die drei Forts verliess und die Krieger von Red Cloud diese anzündeten, waren seine Forderungen Anfangs August erfüllt. Er erschien am 4. November mit 125 Sioux-Häuptlingen. Zum ersten Mal diktierte ein Indianer den Weissen einen Vertrag. Am 8. November wurde der Vertrag unterzeichnet.

Vollstrecker der Ausrottung: Lt General Philip Henry Sheridan (New York)

Am 10. Mai 1869 fand die Verbindung zwischen Union Pacific und Central Pacific statt. Bereits 1864 war die «Northern Pacific Railroad» (NPRR) projektiert worden, die im Norden der Grossen Ebenen eine Linie zum Pazifik führen sollte. Die NPRR erhielt von der Regierung in Washington D.C. 202’400 qkm als Landschenkung.[18] Damit sollte das Gebiet der nördlichen Prärie zerstückelt und die Sioux und ihre Alliierten in kleine Reservationen abgedrängt werden.

Endziel der Armeeführung: Ausrottung der Sioux und ihrer Verbündeten

Ein halbes Jahr nach der Unterzeichnung des Vertrages mit Red Cloud verlegte der Oberbefehlshaber des Kommandobereichs Missouri, Lieutenant General Philip Henry Sheridan (1831-1888)[19] sein Hauptquartier von St. Louis nach Chicago. In der Chicago Tribune vom 17.4.1869 beschrieb er seine Strategie gegen die Indianer:[20]

«…das erste, was die Wilden bekommen, ist so viel Krieg und von solcher Art, dass sie sich in Reservationen niederlassen werden … wenn das getan ist, kann die Philanthropie an die Reihe kommen

Bereits am 27. November 1868 soll er seine Denkweise wie folgt beschrieben haben:

«The only good Indians I ever saw were dead.»

1869 nahm die NPRR die Landvermessung im Sioux-Gebiet auf. Der Häuptling der Hunkpapa-Sioux, Tatanka Iyotanka (Sitting Bull, 1831-1890, Häuptling, Medizinmann, Seher)[21], warnte aufgrund der Zusicherungen von 1868 die Landvermesser vor einem Eindringen in das Sioux-Gebiet. Die Führung der NPRR beurteilte aufgrund der Landschenkungen der Regierung die Garantien an die Sioux als Null und Nichtig.[22] Mit Versprechungen und Lügen versuchten die Bosse der NPRR Siedler aus Nord- und Mitteleuropa für den Kauf von Landparzellen anzulocken. Die Probleme der nördlichen Plains, wie Wassermangel, Tornados, Blizzards, Zyklonen, Heuschreckenplagen, Sand- und Staubstürme, Dürreperioden, Präriebrände und Konflikte mit Indianern blieben dabei unerwähnt.[23] Der Zeitplan der NPRR sah vor, dass Ende 1872 das Ostufer des Missouri erreicht werden sollte. Wegen der Vertreibung der Landvermesser durch die höflichen Drohungen von Sitting Bull sah es 1869 so aus, als ob der Zeitplan nicht eingehalten werden konnte.

Ein weiteres Problem für Washington D.C. war der innere Zustand der Armee, die aufgrund der Demobilisierung noch einen Bestand von 40’000 Mann aufwies. Viele Berufsoffiziere mussten wegen des geschrumpften Bestandes, wollten sie bleiben, eine Zurückstufung von Rang und Sold in Kauf nehmen.[24] So musste sich auch Major General George Armstrong Custer (1839-1876) nach dem Ende des Bürgerkrieges 1865 mit dem Grad eines Hauptmanns (Captain) abfinden. 1866 wurde Custer Lieutenant Colonel (Oberstleutnant), nomineller Kommandant des 7. Kavallerie-Regimentes (7th Cavalry Regiment) und damit im Kommando einem Colonel unterstellt.[25] Viele junge Offiziere waren aufgrund der Rücksetzungen frustriert und hofften durch einen Krieg mit den Sioux Ruhm und Ehre zu erlangen. Die einfachen Berufssoldaten verliessen die Armee. Ihr Ersatz waren Einwanderer, flüchtige Familienväter und Gescheiterte.[26] Die US Army von 1869 glich, wie erwähnt, einer europäischen Fremdenlegion.

Die Armeeführung, die Eisenbahnbosse und die Bankiers beabsichtigten mit diesem Abschaum das Ausrottungskarussell wieder in Gang zu setzen. Aber die Häuptlinge der Sioux vermieden jede Konfrontation. 1870 und 1871 gab es keine Zwischenfälle mit den Sioux. Auch die Büffeljäger wurden nur durch Drohungen aus den nördlichen Prärien vertrieben. Zu den Provokationen gehörte auf Anweisung von General Sherman das brutale Niedermetzeln eines wehrlosen Dorfes der Piegan-Indianer durch Kavalleristen und Infanteristen unter der Führung von Colonel E.M. Baker am 23.1.1870. Sogar die New York Times prangerte am 24.2.1870 das Massaker an.[27]

Red Cloud wollte zur Entspannung der Lage die Einladung von Präsident Ulysses Simpson Grant (seit 1869 Präsident) zu einem Besuch nach Washington D.C. annehmen. General Sherman befürchtete, dass dadurch seine Pläne für den «grossen Sioux-Feldzug» bekannt würden, war doch Red Cloud über diese im Bilde. Die Armeeführung und ihre finanzkräftigen Hintermänner sahen für das Indianerproblem keine andere Lösung als die Ausrottung. Das Ziel der militärischen Operationen war der «…Tag, an dem im Lande von Indianern nur noch ihre Gräber zeugen würden.»[28]

Am 1. Juni 1870 erschien die Delegation von Red Cloud in Washington D.C. Präsident Grant versuchte mit allen Mitteln, Red Cloud und seine Delegation von der Macht der USA zu überzeugen. Der Bau der NPRR musste fortgesetzt werden. Ein Krieg mit den Sioux würde zum Bankrott der NPRR führen und damit eine Wirtschaftskatastrophe auslösen. Red Cloud wollte keinen Krieg, war aber nicht bereit den Bau der NPRR über das Sioux-Gebiet zu dulden. Red Cloud hielt vor dem Innenminister eine bemerkenswerte Rede, die die «New York Times» am 17.6.1870 abdruckte.

NPRR und Bankiers wollten den Bau vorantreiben. Die Landvermessungen der NPRR wurden 1870/71 durch Scheinangriffe der Sioux und Cheyenne aufgehalten. Am 13.4.1873 befahl Brigadier General Alfred H. Terry, in Absprache mit der Armeeführung und der Bosse der NPRR Lieutenant Colonel Custer, mit seinem Regiment eine grössere Operation zur Einschüchterung der Sioux auszuführen. Diese Operation wurde am Ende durch die Guerillataktik des Häuptlings Sitting Bull und des Kriegshäuptlings Gall ausmanövriert.[29] Die Sioux übten nach wie vor die Kontrolle über den zukünftigen Schienenstrang der NPRR aus. 1872 reiste Red Cloud noch einmal mit einer Delegation nach Washington D.C. Die NPRR konnte nicht mehr weitergebaut werden. 1873 brach in den USA deshalb ein Börsen- und Bankenkrach aus.

 

Gold in den Black Hills

Nach ihren Ausrottungsfeldzügen hatte die US Army bis 1874 die kümmerlichen Reste der Stämme der südlichen Plains – Comanchen, Kiowas, Kiowa-Apachen, Cheyenne – in Reservationen in Oklahoma abgedrängt. Auch die Stämme des Nordwestens waren durch die Vernichtungskriege von 1872/73 bereits befriedet worden. Zu diesem Zeitpunkt war auch das gewollte Abschlachten der Bisons im vollen Gange. Von ursprünglich 30 Millionen gab es 1874 nur noch deren drei Millionen.[30]

Die einzige verbliebene Oase der Indianer war die grosse Sioux-Reservation. Für die Vernichtung dieser Oase mussten die Sioux zum Krieg provoziert werden. Nachdem alle Provokationen gescheitert waren, erfanden Armeeführung und Bankiers eine andere Art der Provokation.[31] Die Black Hills waren für die Sioux heiliges Gebiet. Durch die Auslösung eines Goldrausches und der Errichtung von Forts in den Black Hills bestand gemäss Lieutenant General Sheridan die Möglichkeit die Sioux zu provozieren.[32] Im Frühjahr 1874 führte die Armeeführung eine geheime Lagebesprechung durch. Am 8.6.1874 beauftragte Brigadier General Alfred Terry, Oberkommandierender des «Department of Dakota», als Ergebnis der Besprechung Lieutenant Colonel Custer eine wissenschaftliche Expedition in die Black Hills zwecks Erkundung von Goldvorkommen zu begleiten.[33] Zu dieser Expedition gehörten auch zwei Goldsucher. Prompt fanden diese angeblich auch Gold. Custer verfasste über diese Goldfunde einen Bericht an General Sheridan. Bewusst wurde dieser Bericht durch Indiskretionen der Presse zugespielt. Der durch die Regierung und die Armeeführung erhoffte Goldrausch in die Black Hills zeichnete sich ab.

 

Der grosse Krieg mit den Sioux fand trotzdem nicht statt. Diese verhielten sich ruhig. Nun machte die Regierung einer Delegation von Sioux-Häuptlingen das Angebot die Black Hills abzukaufen. Diese lehnten dies ab. In der Zwischenzeit hatte eine Expedition in den Black Hills Golderzadern gefunden. Nun versuchte Washington D.C. wieder die Häuptlinge vom Kauf zu überzeugen. Geboten wurden als Kaufpreis sechs Millionen US-Dollar und jährlich 400’000 Dollar für die Schürfrechte. Nach einer Zusammenkunft verlangten die Häuptlinge unter Red Cloud zwecks Finanzierung des Überganges von sieben Generationen zur Zivilisation einen Kaufpreis von 40 bis 50 Millionen Dollar. Red Cloud wusste, dass während zehn Jahren in den Black Hills Gold für 80 Millionen Dollar gewonnen werden konnte. Der Präsident, das Kabinett, die Armeeführung und die Bankiers lehnten die Forderung der Sioux-Häuptlinge ab. General Sherman befahl Lieutenant General Sheridan einen Plan für einen Winterfeldzug gegen die Sioux zu erarbeiten.

 

Falle und Hinterhalt am Little Big Horn

Ende 1876 stellte Washington D.C. allen «Nicht-Reservations-Sioux» ein Ultimatum. Bis zum 31. Januar 1876 – innerhalb von sechs bis sieben Wochen – hatten sich diese auf dem Agenturgelände der Reservation einzufinden und würden dann als «freundlich gesinnte Sioux» bezeichnet.[34] Alle Sioux, die nicht in der Agentur waren, würden als feindliche Sioux bezeichnet, die mit Waffengewalt zu «freundlich gesinnten» transformiert würden. Die «Nicht-Reservations-Sioux» befanden sich zu diesem Zeitpunkt in ihren Winterlagern und konnten niemals in der kurzen Zeit die Reservation erreichen. Die Aufforderung war eine Kriegserklärung. Red Cloud hatte keine Kontrolle über die Hunkpapa-Sioux von Sitting Bull und die Oglala-Sioux von Crazy Horse (Tasunka Witko).

Der Feldzug von Lieutenant General Sheridan sollte am 1. März beginnen. Geplant war ein dreifacher Zangenangriff.[35] Von Fort Ellis aus sollte Colonel John Gibbon (1827-1896)[36] mit sechs Infanteriekompanien und vier Kavallerieschwadronen entlang des Yellowstone River nach Osten marschieren. Von Fort Fetterman aus hatte Brigadier General George Crook (1829-1890)[37] mit fünfzehn Kavallerieschwadronen, fünf Infanteriekompanien, 86 Shoshonen-Scouts und 176 Crow-Scouts (insgesamt 1128 Soldaten, 262 Indianer, 85 Zivilisten) nach Norden vorzugehen. Von Fort Abraham Lincoln musste Brigadier General Terry mit dem 7. Kavallerieregiment von Custer und drei Infanteriekompanien nach Westen marschieren. Im Gebiet zwischen Rosebud Creek, Yellowstone River und Big Horn River sollten die Sioux von Sitting Bull und Crazy Horse eingekesselt, vernichtet und dadurch ausgerottet werden.[38]

Wegen des harten Winters wurde der Beginn des Feldzuges auf den Mai verschoben. Am 17. Mai marschierte Brigadier General Terry nach Westen und errichtete am 7.6. ein Nachschublager. Anschliessend stiessen Einheiten von ihm auf Truppen von Gibbon. Brigadier General Crook marschierte am 29. Mai ab und erreichte am 8. Juni Goose Creek. Am 13. Juni marschierte er zum Rosebud und am 17. Juni fand ein Gefecht mit den Sioux von Crazy Horse statt.

Am 21. Juni 1876 trafen sich Brigadier General Terry, Colonel Gibbon und Lieutenant Colonel Custer auf einem Dampfer im Yellowstone River. Custer bekam von Terry und Gibbon offenbar genaue Anweisungen für den Feldzug. Da Präsident Grant und die Armeeführung Custer wegen seiner politischen Intrigen und Insubordinationen überdrüssig waren, wurde ihm vermutlich eine Falle gestellt. Aufgrund der Aufklärungen wusste Custer sehr wohl über die Lage und die Grösse des Sioux-Lagers am Little Big Horn Bescheid. So war er im Bilde über den Bestand der Streitmacht der Sioux und Cheyenne mit über 2’000 Kriegern. Nicht nur er, sondern auch Brigadier General Crook waren über den Gegner informiert. Ursprünglich hätte Crook mit seiner Armee das Zentrum des Indianerlagers angreifen sollen. Auch nach dem Gefecht mit Crazy Horse am 17. Juni hätte er weiter vorstossen sollen. Als Custer auf die Hauptmacht der Indianer stiess, erwartete er, dass Crook mit seiner Truppe bereits da war. Crook kehrte aber mit seiner Streitmacht nach dem Gefecht mit Crazy Horse wieder zum Versorgungslager zurück, in dem viele Waffen und Munition vorhanden waren. Anschliessend spielte Crook entweder mit seinen Offizieren Karten oder ging auf die Jagd.

Als Custer mit seinen Schwadronen den Little Big Horn River erreichte, hatte er sich an die Anweisungen von Terry gehalten. Crook war aber nicht da.  Custer geriet am 25. Juni mit seinen Kompanien in den Hinterhalt, den Sitting Bull vorbereitet hatte. Er und seine Truppe wurden am 25. Juni durch die Sioux und Cheyenne unter der Führung von Crazy Horse und Gall vernichtet. Der unbeliebte Custer war durch seine Vorgesetzten, General Sherman, Lieutenant General Sheridan und Brigadier General Terry vermutlich in diese Falle hineinmanövriert und dann im Stich gelassen worden. Später wurde dem bramarbasierenden Custer das «Debakel» angelastet.[39]

Das Ende

Sitting Bull hatte gehofft, dass durch den Sieg in dieser Schlacht die Voraussetzungen für einen Frieden geschaffen würden. Er hatte die wahren Ziele der Armeeführung falsch beurteilt. Die Vernichtung der Kompanien unter dem unbequemen Custer durch die Sioux schuf für die Armeeführung den Vorwand für die Ausrottung der Sioux. Die Generäle wurden nicht mehr durch Washington D.C. eingeschränkt und hatten nun freie Bahn Die «freien» Sioux wurden bis Ende 1877 kreuz und quer durch das gesamte Gebiet gejagt. Am 6. September 1877 wurde Crazy Horse, der sich ergeben hatte, vermutlich auf Anweisung von Lieutenant General Sheridan und Brigadier General Crook, im Camp Robinson kaltblütig ermordet.[40]

Im Mai 1877 floh Sitting Bull mit seinen Hunkpapa nach Kanada. Vermutlich auf Druck der USA kam er im Juli 1881 in die USA zurück und wurde als Kriegsgefangener nach Fort Randall in South Dakota transferiert. Im Mai 1883 kam er in die Standing Rock Reservation (North Dakota). Bei Ausbruch der Geistertanzbewegung vermutete Washington D.C. in ihm einen der Anführer der Bewegung. Am 15. Dezember 1890 sollte er in seinem Haus am Grand River, South Dakota, durch die Indianerpolizei verhaftet werden. Dabei wurden er und sein Sohn ermordet.[41]

Am 29. Dezember 1890 wurden der kranke Häuptling Big Foot und seine kleine Gruppe aus Minneconjou-Sioux durch das 7th Cavalry Regiment unter Colonel James W. Forsyth am Wounded Knee Creek massakriert. 300 Sioux wurden durch die Schnellfeuergeschütze zerfetzt.[42] Mit diesem Massaker hätte die US-Armeeführung beinahe ihr Ziel erreicht, die Ausrottung der Sioux.

 

 

 

[1] Stammel, H.J., Die Sioux, Amerika und seine Indianerpolitik, dtv, München, 1979, S. 66/79.

[2] Stammel, H.J., S. 84.

[3] Stammel, H.J., S. 86.

[4] Stammel, H.J., S. 92.

[5] Stammel, H.J., S. 97.

[6] Stammel, H.J., S. 105.

[7] Stammel, H.J., S. 107.

[8] Stammel, H.J., S. 115.

[9] Stammel, H.J., S. 118.

[10] Stammel, H.J., S. 119/120.

[11] Stammel, H.J., S. 123/124.

[12] Stammel, H.J., S. 126-132.

[13] Dupuy, T.N., Johnson C. and D.L. Bongard, The Harper Encyclopedia of Military Biography, Castle Books, New York, 1992, S. 680/681.

[14] Stammel, H.J., S. 133.

[15] Stammel, H.J., S. 137.

[16] Dupuy, T.N., et al, S. 291/292.

[17] Stammel, H.J., S. 142.

[18] Stammel, J.J., S. 150.

[19] Dupuy, T.N., et al, S. 679.

[20] Stammel, H.J., S. 149.

[21] Utley, R.M., The Lance and The Shield, The Liefe and Times of Sitting Bull, Ballantine Books, New York, 1994, S. 83.

[22] Stammel, H.J., S. 155.

[23] Stammel, H.J., S. 156/157.

[24] Stammel, H.J., S. 163.

[25] Dupuy, T.N., et al, S. 204/205.

[26] Stammel, H.J., S. 163/164.

[27] Stammel, H.H., S. 172/173.

[28] Stammel, H.J., S. 175.

[29] Stammel, H.J., S. 193-198.

[30] Stammel, H.J., S. 205.

[31] Stammel, H.J., S. 198-201.

[32] Stammel, H.J., S. 208.

[33] Stammel, H.J., S. 208-212.

[34] Stammel, H.J., S. 246.

[35] Dupuy, T.N., et al, S. 679.

[36] Dupuy, T.N., et al, S. 280.

[37] Dupuy, T.N., et al, S. 200/201.

[38] Stammel, H.J., S. 248.

[39] Stammel, H.J., S. 250-268.

[40] Powers, Th., The Killing of Crazy Horse, Vintage Books, New York, 2011, S. 379/415.

[41] Dupuy, T.N., et al, S. 688.

So auch Utley, R.M., The Lance and the Shield, S. 303.

[42] Brown, D., Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg, 1972, S. 423-426.